Analyse der Datenerhebung von Deportation Alarm
Alle 6 Monate wird eine parlamentarische Anfrage gestellt, um die offiziellen Regierungsdaten bezüglich Abschiebungen aus Deutschland offenzulegen. Dies ermöglicht es uns, unser monitoring zu überprüfen und unsere Daten zu verifizieren. Die letzten Informationen, die im Parlament veröffentlicht wurden, betreffen den Zeitraum von Januar bis November 2023. Hier einige Prozentzahlen, wie sich die Arbeit von Deportation Alarm zu den offiziell verifizierten Daten verhält:
🟡 Deportation Alarm’s Monitoring ➤ 94%
(Regierungsdaten zeigten, dass wir 13 Flüge zwischen Jan-Nov 2023 nicht beobachtet haben)
🟡 Deportation Alarm’s Vorwarnungen ➤ 74%
(bei 3 von jeder 4 Sammelabschiebungen hat Deportation Alarm mindestens 5 Stunden vor Abflug eine Warnung veröffentlicht)
🟡 Unverifizierte Alarme ➤ 2,6%
(Deportation Alarm veröffentlichte 4 Alarme zwischen Jan-Nov 2023, die nicht bestätigt werden konnten. Zusätzlich wurden 4 Alarme als in letzter Minute stornierte Flüge verifiziert)
Was ist eine „Charter-Abschiebung“?
Eine Charter-Abschiebung liegt vor, wenn die Polizei ein ganzes Flugzeug für eine Abschiebung mietet, manchmal ein Mini-Charter für 1 oder 2 Personen, manchmal eine Massenabschiebung von mehr als 100 Personen. Das bedeutet, dass dieser Flug keine regulären Fluggäste hat. In der Regel führt die Polizei in der Nacht und manchmal in der Woche vor dem Abflug zahlreiche Abschieberazzien durch, um das Flugzeug so voll wie möglich zu machen. Neben viel Polizei gibt es oft auch medizinisches Personal, Übersetzer:innen und FRONTEX-Beobachter:innen.
Haben wir Alarme für alle Charter-Abschiebungen?
Wir sind auf Quellen angewiesen, die uns über die Termine von bevorstehende Charter-Abschiebungen informieren. Wir veröffentlichen nur dann einen Alarm, wenn wir die Informationen verifizieren können und mit Sicherheit wissen, dass ein Flug geplant ist. Wenn wir einen Alarm nicht veröffentlicht haben, bedeutet dies, dass wir keine verifizierten Informationen darüber erhalten haben. Derzeit können wir für 70 bis 80 % aller Abschiebe-Charterflüge mindestens 5 Stunden vor Abflug einen Alarm veröffentlichen.
Finden alle Abschiebungen auf Charterflügen statt?
Nein! Zwischen 40 und 50 % der Abschiebungen aus Deutschland erfolgen mit gecharterten Flugzeugen. Die meisten Abschiebungen erfolgen auf regulären kommerziellen Flügen, wenn eine Person inmitten anderer Passagiere, die in den Urlaub fliegen, abgeschoben wird. Es gibt aber auch Abschiebungen auf dem Land- oder Seeweg. Wir veröffentlichungen keine Warnungen für Abschiebungen auf Passagierflügen, da wir solche Informationen nur erhalten, wenn jemand bereits verhaftet wurde. Abschiebungen auf Passagierflügen sind zudem in der Regel Einzelabschiebungen. Daher wäre ein Alarm für andere keine relevante Warnung.
Wann haben wir einen Alarm für bevorstehende Charter-Abschiebungen?
Wir veröffentlichen einen Alarm für eine bevorstehende Charter-Abschiebung, sobald wir bestätigen können, dass der Flug stattfinden soll. Wir haben keine weiteren Informationen als die, die auf unserer Website veröffentlicht werden. In seltenen Fällen, in denen wir über einen bevorstehenden Charterflugtermin schon Monate vorher Bescheid wissen, veröffentlichen wir einen Alarm in der Regel 2 bis 3 Wochen vor Abflug auf unseren Social Media-Kanälen.
Finden alle Alarme wirklich statt? Gibt es Fehlalarme?
Neben der Veröffentlichung von Alarmen überwachen wir, ob Abschiebe-Charterflüge wirklich stattgefunden haben. Unten auf unserer Website finden Sie eine Liste mit zusätzlichen Informationen über diese Charterflüge, nachdem sie abgeflogen sind, z. B. um welche Uhrzeit das Flugzeug gestartet ist, von welchem Flughafen und mit welcher Fluggesellschaft. Wenn wir einen Flug, für den wir einen Alarm hatten, nicht verifizieren konnten oder wenn wir eine Stornierung des Charterflugs in letzter Minute bestätigen können, wird dies in der gleichen Liste auf unserer Website mitgeteilt. Wir haben selten Fehlalarme: Zum Beispiel im Jahr 2023 gab es 4 von 166 Alarmen, bei denen wir nicht bestätigen konnten, dass sie stattgefunden haben.
Warum veröffentlichen wir Alarme für bevorstehende Abschiebungen?
Wir glauben an Bewegungsfreiheit für alle und die vollständige Abschaffung aller Grenzen. Die europäischen Nationalstaaten basieren auf der brutalen kolonialen und rassistischen Aufteilung der Welt, um die Privilegien einiger von uns zu bewahren, während sie diejenigen von uns, die sich nicht in ihr System der Grenzen und der Ausgrenzung fügen, mit Gewalt entfernen. Widerstand gegen Abschiebung findet jeden Tag statt, mehr als die Hälfte der Abschiebeversuche scheitern – der größte Teil dieses Widerstands besteht darin, bei nächtlichen Abschieberazzien der Polizei nicht zu Hause zu sein. Wir veröffentlichen Termine für bevorstehende Abschiebecharterflüge, um diesen Widerstand gegen Abschiebungen zu unterstützen. Darüber hinaus hoffen wir, auch den Widerstand an den Flughäfen und gegen die Fluggesellschaften zu verstärken.
Was passiert während einer Charter-Abschiebung?
In der Regel schickt die Polizei nachts ihre Einheiten los. Bei Abschieberazzien holt die Polizei die Menschen gewaltsam aus ihren Betten, um sie entweder in ein Abschiebegefängnis oder direkt ins Flugzeug zu bringen. Die Polizei nimmt den Menschen oft ihre Handys ab. In der Regel bringt die Polizei die Menschen etwa 5 Stunden vor dem Abflug zum Flughafen in ein Gebäude, das oft als „Rückführungsgebäude“ bezeichnet wird und sich auf dem Flughafengelände oder in dessen Nähe befindet. In diesem Gebäude werden alle Personen in einem Warteraum platziert und die Polizei erledigt die notwendige Papierarbeit. Hier führen kooperierende „Ärzt:innen“ eine Ganzkörperuntersuchung aller Personen durch, die abgeschoben werden sollen, was bedeutet, dass sich die Menschen oft vor einer Gruppe von Polizeibeamten nackt ausziehen müssen. Außerdem bestimmt die Polizei, wer in Handschellen oder in Ketten gelegt wird und wie viele Polizeibeamte jeder Person zugeteilt werden. Manchmal fliegen auch andere EU-Länder Menschen für einen Abschiebe-Charterflug ein, da Deutschland der zentrale Organisator solcher Flüge ist. Etwa eine Stunde vor Abflug werden die Menschen vom „Rückführungsgebäude“ zum Flugzeug gebracht.
Woher wissen wir über die Termine von bevorstehenden Charter-Abschiebeflügen?
Wir sind auf Quellen angewiesen, um Informationen über bevorstehende Charterflüge veröffentlichen zu können. Wenn die Polizei jemanden vor einer Abschiebung inhaftiert, muss der inhaftierten Person (oder Anwält:innen) ein Gerichtsdokument zur Verfügung gestellt werden, in dem das Datum der Abschiebung als rechtliche Grundlage für die Inhaftierung angegeben wird. Je mehr Menschen uns solche Dokumente zur Verfügung stellen, desto mehr Alarme können wir veröffentlichen.
Wie können Informationen über bevorstehende Charter-Abschiebungen mit uns geteilt werden?
Wenn Sie Informationen über einen bevorstehenden Charter-Abschiebeflug haben, können Sie uns gerne eine E-Mail an deportationalarm@systemli.org schicken! Bitte prüfen Sie zunächst, ob es sich tatsächlich um einen Charterflug handelt und nicht um eine einzelne Abschiebung mit einem regulären Passagierflug. Außerdem müssen wir Ihre Angaben verifizieren können. Schicken Sie uns daher ein Foto des Dokuments mit den entsprechenden Angaben. Bitte achten Sie darauf, dass auf dem Bild keine Namen oder andere persönliche Informationen zu sehen sind. Neben dem Datum der Abschiebung interessiert uns auch, von welchem Flughafen der Flug abfliegt und zu welcher Uhrzeit (falls diese Angaben im Dokument enthalten sind).
Warum dokumentieren wir, welche Fluggesellschaften genutzt werden?
Auch wenn es Staaten sind, die über Abschiebungen entscheiden, glauben wir, dass rassistische Regierungen und der Kapitalismus eng miteinander verbunden sind. Fluggesellschaften profitieren von Abschiebungen. Indem sie ihre Flugzeuge dafür vermieten, machen sie sich mitschuldig an der Aufrechterhaltung dieses rassistischen Systems. Indem wir die Namen der Abschiebefluggesellschaften nennen, wollen wir sie an den Pranger stellen und Aktivist:innen dazu auffordern, diese Fluggesellschaften für ihr Handeln zur Verantwortung zu ziehen. Wie Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt haben, können Fluggesellschaften mit genügend Druck von der Durchführung von Abschiebungen abgehalten werden, so dass dem Staat langfristig keine Fluggesellschaften mehr zur Verfügung stehen, um seine rassistische Abschiebepolitik durchzuführen.
Was ist das rechtliche Risiko Informationen über bevorstehende Charter-Abschiebungen zu veröffentlichen?
Keines, es gibt kein Gesetz, das die Veröffentlichung von Abschiebedaten verbietet, und es besteht auch kein Risiko für Betroffene, Anwält:innen, Pilot:innen, Übersetzer:innen oder Sozialarbeiter:innen, solche Informationen mit uns zu teilen. Nur Personen, die in staatlichen Institutionen arbeiten, dürfen diese Informationen nicht weitergeben. Falls Sie also für die „Ausländerbehörde“ arbeiten und uns Informationen zukommen lassen wollen, schreiben Sie uns besser sicher und mit einer Verschlüsselung.
Was kann ich tun, wenn ich gegen meine eigene Abschiebung kämpfe?
No Border Assembly hat Informationen über Widerstandstaktiken gesammelt, die viele Menschen anwenden. ihr könnt sie in vielen Sprachen hier finden.
Was ist ein „Mini-Charter“?
Der Staat definiert einen „Mini-Charter“ als eine Abschiebung per Charterflugzeug von 4 Personen oder weniger. Diese „Mini-Charter“ finden regelmäßig statt, oft mit kleineren Flugzeugen. Wenn wir wissen, dass es sich um einen Mini-Charter handelt, fügen wir diese Information zu unserem Alarm hinzu. Manchmal werden auch riesige Flugzeuge gechartert, wie z.B. am 14.12.2021, als Deutschland eine ganze Boeing 747 mit 202 Sitzplätzen mietete, um zwei Personen nach Kasachstan abzuschieben und Titan Airways dafür 105.755 EUR zahlte.
Was ist ein „Dublin-Charter“?
Eine EU-Verordnung, das so genannte „Dublin-Abkommen“, versucht, Menschen dazu zu zwingen, im ersten EU-Land, das sie betreten, um Asyl zu bitten (oder zumindest im ersten EU-Land, in dem ihre Fingerabdrücke genommen werden). Für viele Menschen bedeutet dies Spanien, Italien, Bulgarien, Kroatien, Rumänien oder Griechenland. Deutschland versucht, Menschen in diese Länder zu überstellen, wenn das BAMF feststellt, dass Ihnen dort Fingerabdrücke abgenommen wurden. Sie erhalten einen Brief, wenn Deutschland ein Dublin-Verfahren durchführen will. Viele Dublin-Abschiebungen werden mit regulären Passagierflügen durchgeführt, aber es gibt auch regelmäßige Dublin-Charterflüge (zum Zeitpunkt des Schreibens) nach Bulgarien, Rumänien und Kroatien.
Bitte beachtet, dass auch Alarme für Abschiebungen von Personen mit einem Schutzstatus in einem anderen EU-Land als „Dublin-Abschiebung“ gekennzeichnet werden, obwohl es sich nicht um eine Abschiebung nach der Dublin-III-Verordnung handelt, sondern lediglich um eine Abschiebung in einen anderen EU-Mitgliedstaat.
Was ist gemeint, wenn wir eine Charterabschiebung als „laufend“ bezeichnen?
Manchmal erfahren wir erst dann von einem geplanten Charterflug, wenn die Menschen bereits zum Flughafen gebracht werden und die Abflugzeit 5 Stunden (oder weniger) in der zukunft liegt. In diesem Fall sehen wir unsere Alarme als verspätet an, da alle Polizeirazzien bereits stattgefunden haben. Wir veröffentlichen trotzdem einen Alarm mit dem Vermerk „laufend“, aber diese Alarme werden bei unserer Berechnung, für wie viele Flüge wir einen Alarm hatten, nicht mitgezählt.
Wie können Sie uns unterstützen?
Zuallererst: Aktiv werden und zusammenarbeiten! Widerstand gegen Abschiebung findet jeden Tag statt, meist von Betroffenen selbst. Dieses rassistische System der Abschiebung steht nur, weil die Mehrheit in Deutschland es zulässt. Wenn sich mehr von uns dagegen wehren und sich organisieren, glauben wir an die Möglichkeit, alle Abschiebungen abzuschaffen.
⚫ wenn ihr nachweisbare Infos über einen bevorstehenden Abschiebecharterflug habt, schickt uns eine E-Mail an deportationalarm |A| systemli.org
⚫ verbreite Informationen über unseren Kanal in Lagern und über deine Netzwerke
⚫ besorge dir einige unserer Aufkleber und platziere sie an relevanten Orten
⚫ wähle eine Abschiebefluggesellschaft und konfrontiere sie regelmäßig