Seit 2020 zensiert die Bundesregierung Fluggesellschaften, die für Abschiebungen genutzt werden. Bisher wurden diese Informationen in parlamentarischen Anfragen immer angegeben. Dementgegen erhielt die Partei Die Linke auf ihre aktuelle Kleine Anfrage (Seite 9) folgende Antwort: „Eine Veröffentlichung der Fluggesellschaften […] kann sich gegebenenfalls negativ auf die Wahrnehmung dieser Fluggesellschaften in der Öffentlichkeit auswirken. Eine öffentliche Benennung der Fluggesellschaften, die Rückführungsflüge anbieten, birgt die Gefahr, dass diese Unternehmen öffentlicher Kritik ausgesetzt werden und in der Folge für die Beförderung von ausreisepflichtigen Personen in die Heimatländer nicht mehr zur Verfügung stehen“ (Seite 9). Wir als No Border Assembly lehnen diese Argumentation nicht nur vehement ab, sondern brechen auch ihre Zensur.
Heute veröffentlichen wir die Fluggesellschaften, die im Jahr 2020 Charterabschiebungen durchgeführt haben. Mit Hilfe des Flightradar-Trackings ist es für jede Person möglich, die Bewegungen von Flugzeugen zu verfolgen. Wir haben alle europäischen Charterfluggesellschaften verfolgt und konnten aufgrund von bestimmten Mustern eine fast vollständige Liste mit den Fluggesellschaften erstellen, die im Jahr 2020 Abschiebungen durchgeführt haben. Es gab 112 Sammelabschiebe-Charterflüge im Jahr 2020 (seite 21). 112 Mal wurde ein ganzes Flugzeug angemietet, um Menschen abzuschieben. 112 Mal gab es deutschlandweit nächtliche Polizeirazzien und gefüllte Abschiebegefängnisse. Wir konnten bei 111 von 112 Flügen nachverfolgen, welche Fluggesellschaft dafür bezahlt wurde, diese rassistische Gewalt auszuüben.
Hier ist die Liste mit den größten Charter-Abschiebe-Profiteuren in Deutschland im Jahr 2020, die die Regierung verzweifelt versucht zu verstecken:
Enter Air – 28 Charterflüge
Sundair – 17 Charterflüge
Privilege Style – 13 Charterflüge
Titan Airways – 11 Charterflüge
Georgian Airways – 11 Charterflüge
Alba Star – 9 Charterflüge
Corendon Airlines – 7 Charterflüge
Danish Air Transport – 5 Charterflüge
-> Bearbeitete und unzensierte Fassung der Kleinen Anfrage 19/27007
Enter Air ist Deutschlands beliebteste Abschiebe-Airline. In folgende Länder hat Enter Air im Jahr 2020 und im bisherigen Jahr 2021 abgeschoben: Ghana, Ukraine, Albanien, Moldova, Libanon, Senegal, Georgien, Serbien, Nord-Mazedonien, Irak, Kosovo. Die Büros von Enter Air befinden sich in Polen und der Hauptaktionär des Unternehmens ist ein in Malta registrierter Investmentfonds. Der zweitgrößte Anteilseigner ist die riesige internationale Finanzgesellschaft ING.
Der größte in Deutschland ansässige Charter-Abschiebe-Profiteur im Jahr 2020 war Sundair, ein Unternehmen im Besitz und unter der Leitung von Marcos Rossello. Sundair hat im Jahr 2020 und 2021 nach Tunesien, Aserbaidschan, Libanon, Albanien, Moldawien, Bosnien-Herzegowina, Ukraine und Armenien abgeschoben. Ihre Flugzeuge fliegen in der Regel deutsche Staatsangehörige zu ihren Urlaubszielen in Mallorca und Griechenland. Es wäre interessant zu wissen, was die Urlauber*innen über die Komplizenschaft von Sundair mit Abschiebungen denken.
Eine weitere Fluggesellschaft, die besonders zu erwähnen ist, ist Privilege Style. Seit 2020 fanden alle Abschiebe-Charterflüge von Deutschland nach Afghanistan mit einer Maschine der spanischen Charterfluggesellschaft statt. Privilege Style rühmt sich damit, die Charterfluggesellschaft der letzten Instanz zu sein: Wenn keine andere Fluggesellschaft den Job übernimmt, tun sie es. Das schließt auch den Transport von Menschen in Kriegsgebiete während einer Pandemie ein. Das Honorar von Privilege Style für eine Charter-Abschiebung nach Afghanistan beträgt rund 340.000 EUR. Neben Abschiebeflügen bietet Privilege Style auch Transporte für Fußballspieler an (insbesondere für die spanischen Fußballmannschaften FC Sevilla und Atletico Madrid). Diese Fußballvereine setzen sich angeblich gegen Rassismus ein, sehen aber kein Problem darin, die Dienste eines notorischen Abschiebeprofiteurs in Anspruch zu nehmen. Privilege Style hat seit 2020 alle Abschiebeflüge nach Afghanistan durchgeführt, doch sie haben auch Abschiebungen nach Nigeria, Moldova, Serbien, Nord-Mazedonien, Pakistan, Albanien, Kosovo und Bangladesch durchgeführt.
No Border Assembly verfolgte mehr als die 112 gelisteten Charterabschiebungen in der Kleinen Anfrage. Die Linke hat eine Anfrage eingereicht, in der sie sich erkundigt, warum die weiteren Abschiebungen nicht enthalten sind. Die Antwort war, dass ihre Liste nur Charter-Abschiebungen von 5 oder mehr abgeschobenen Personen enthielt. Die 2 zusätzlichen Charterabschiebungen, die wir gemeldet haben, hatten nur 2 Personen an Bord: 12.11.2020 nach Nigeria und 21.12.2020 nach Ghana.
Ebenfalls nicht in der Antwort auf die Kleine Anfrage enthalten waren 23 Charterabschiebungen vom Flughafen Karlsruhe Baden-Baden aus dem Jahr 2020. Die Nachfrage ergab, dass diese nicht enthalten waren, weil diese Abschiebeflüge von Baden-Württemberg ohne Beteiligung der Bundespolizei organisiert wurden. No Border Assembly hat auch diese 23 Flüge, die alle mit der Fluggesellschaft Bulgaria Air durchgeführt wurden, verfolgt. Die Sondervereinbarung zwischen Bulgaria Air und Baden-Württemberg muss jedoch noch aufgedeckt werden. Frühere Kleine Anfragen haben ergeben, dass bei diesen Abschiebeflügen von Bulgaria Air keine deutschen Polizeikräfte an Bord waren, sondern ein privater Sicherheitsdienst der Fluggesellschaft. Von Karlsruhe Baden-Baden hat Bulgaria Air nach Albanien, Georgien, Serbien, Nord-Mazedonien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina und Montenegro abgeschoben.
-> No Border Assembly’s Tracking Results: Sammelabschiebungen 2020
Wir fordern vom Staat volle Transparenz. Wir möchten wissen, zu welchem Zeitpunkt jede einzelne Abschiebung stattgefunden hat und welche Fluggesellschaften von diesem rassistischen System profitieren. Ihre Angst vor Protesten ist kein Grund, diese Informationen zu zensieren. Die Tatsache, dass sie diese Informationen geheim halten, zeigt, dass unser Protest funktioniert. Dass wir ihre Zensur brechen, bedeutet, dass wir gegen diese Unternehmen heftiger denn je protestieren können! Lasst uns alle fordern, dass diese Fluggesellschaften einen klaren und öffentlichen Standpunkt gegen Rassismus einnehmen und ihre Zusammenarbeit mit Abschiebungen beenden!